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Schreibatelier Frölich

Michaela Frölich - Publizistin M.A.

Mein Jahresrückblick 2022 – Mit allen Sinnen wahrnehmen und schreiben

Das Schöne an meiner Tätigkeit ist, dass ich dabei sein kann, wenn etwas Großartiges entsteht. Ja, ich finde es einzigartig und wunderbar, Menschen dabei zu begleiten, die eigene Lebensgeschichte Revue passieren zu lassen und aufzuschreiben. Es ist jedes Mal ein unglaublich erfüllender Moment, wenn das Buch gedruckt, die Biografie schön gestaltet zwischen zwei Buchdeckeln einlädt gelesen zu werden. Da vergesse ich gerne, dass es zwischendurch ganz schön viel auf einmal zu tun gab. Wie gut, dass Zeitmanagement kein Fremdwort für mich ist und ich sehr strukturiert arbeiten kann. 

In das Jahr 2022 bin ich mit dem Vorsatz gestartet, noch mehr darauf zu schauen, was hinter den „Dingen“ lebt.  Ein Artikel über Joseph Beuys sensibilisierte mich, dieses Vermögen weiter zu vertiefen, mehr wahrzunehmen, als was das bloße Auge sieht. Sozusagen die Wahrnehmungsfähigkeit zu steigern, um mehr von der Welt zu erfahren, wie Rüdiger Sünner in dem Artikel schrieb. Für mich bedeutet dies, mit aufmerksamen Blick andere Bewusstseinsebenen, nicht sichtbare Welten mit einzubeziehen. Es gibt soviel mehr, als das, was wir sehen. Und auch wenn mit Worten nicht alles beschrieben werden kann, glaube ich fest daran, dass in einem Text zwischen den Zeilen genau dieses miterzählt werden kann. 

Auch wenn ich nicht alles in meinem Rückblick erzählen kann, was mir in 2022 begegnete – zumal vieles mich persönlich auch mitnimmt, was für uns alle so beschwerend ist, wie der Krieg in Europa, die Energie- und Klimakrise – bin ich gespannt, was zwischen meinen Zeilen noch mitklingt.

Lebensgeschichten aufschreiben 

Kern meiner freiberuflichen Berufsstätigkeit ist weiterhin das Schreiben von  Lebensgeschichten. Jede Geschichte ist einzigartig. Wenn ich die ersten Gespräche geführt habe, überkommt mich jedes Mal ein ganz starkes Gefühl von innerer Aufregung, ob und wie es mir gelingt, das Wesen des Menschen zu erkennen, der mir gegenüber sitzt oder über den Familienangehörige erzählen. Erzählt wird über die Menschen, die das Leben begleiteten, die Orte, an denen der Mensch lebte und arbeitete, die Ereignisse, die den Weg säumten, die Gefühle und die Gedanken, die alles Leben begleiteten …

Dabei entsteht eine Fülle an Informationen, nie losgelöst voneinander, sondern immer miteinander verwoben und zusammengehalten durch das Wesen des Menschen, der seine Geschichte zur Papier bringen lassen möchten. Für mich bedeutet dies, in den nächsten Wochen und Monaten nicht nur während der Interviews, der Transkriptionsphasen, dem Schreiben und Überarbeiten mit dieser Geschichte zu sein, sondern oft auch in den Zeiten zwischen den Arbeitsblöcken nachzuspüren, was das ganz Eigene des Menschen ist, was die einzelnen Ereignisse bewirkt haben können, wie sie die Entwicklung beeinflusst haben. Ein sehr berührendes und vielschichtiges Geschehen.

Wenn am Ende der Zusammenarbeit, das Buch fertig geschrieben, mit Fotos und Dokumenten bebildert, als Buch gedruckt vor mir liegt und ich die Auflage dem Kunden oder der Kundin aushändige, ist der Auftrag abgeschlossen, aber die Zusammenarbeit und die Geschichte hat wieder mit mir etwas gemacht, hat einen Einfluss auf mein Denken genommen und die Erkenntnis verstärkt, dass jeder Mensch mit einzigartigen Gaben ausgestattet wird und jeder seine Aufgabe hat.

Drei Biografien – jede Geschichte ist einzigartig

  1. Die Biografie eines erfolgreichen Unternehmers. Beauftragt hatten dies die zwei erwachsenen Töchter, zwei Jahre vor dem 60. Geburtstag. Gespräche mit den Töchtern, mit der Ehefrau, der Mutter, guten Freunden und Freundinnen sowie Geschäftspartnern brachten eine Fülle an wertschätzenden Erinnerungen ein. Obwohl ich den zu Biografierenden nicht persönlich kennenlernte, entstand ein lebendiges Bild von ihm. Die Überraschung und Freude an seinem 60. Geburtstag war groß. Ein voller Erfolg zu Freuden der Töchter. 
  2. Das zweite Buch wurde im Oktober nach einer einjährigen Zusammenarbeit fertig. Die Geschichte einer Südkoreanerin, die im Alter von 18 Jahren, 1961 ohne ihre Familie nach Deutschland kam. Die liebevoll erzählten Erinnerungen an ihre Heimat und ihre Familie in Südkorea berührten mich oft sehr. Genauso wie ihr Mut und ihre Disziplin, als sie in Deutschland viele Hürden zu überwinden hatte, bis sie zum Studium zugelassen wurde. Heute blickt sie mit Stolz auf ihre zwei wunderbaren Kinder, die ihr Leben bestens mit ihren Familien meistern, und auf ihre Berufstätigkeit als Lehrerin und Studienrätin. 
  3. Die dritte Biografie, die zum Ende des Jahres, in den Druck ging, erzählt die Geschichte eines Mediziners, der im Osten von Deutschland aufwuchs. Sein Titel „Glück gehabt“ ergab sich wie von selbst: Er überlebte unbeschadet den Zweiten Weltkrieg, nachdem er kurz vor Kriegsschluss als Jugendlicher noch eingezogen wurde. Im Osten aufgewachsen hatte er das Glück, trotzdem er Sohn eines Akademikers war, einen Studienplatz zu erhalten. Er lernte und arbeitete an der Charité, bevor er kurz vor dem Mauerbau mit seiner jungvermählten Frau in den Westen ging. Mit seiner Familie baute er sich eine neue Existenz auf und führte eine Praxis. Erfüllt blickte er auf sein Leben zurück. Diese Biografie war beauftragt von einem seiner Enkel. der wie alle anderen Nachfahren nun sehr glücklich ist, seine Erzählungen in diesem Buch wiederzufinden. 
Autobiografie "Verbunden im Herzen - Meine zwei Welten"

 

Das Schreiben und den Blick auf sich selbst vermitteln – Seminare & Kurse

Autobiografisches Schreiben

Die vielen Jahren, in denen ich unter anderem das autobiografische Schreiben unterrichte, ermöglichen es mir, das Thema auf sehr vielfältige Weise an die Kursteilnehmenden zu vermitteln. Da gibt es die Tagesseminar an der Volkshochschule Frankfurt/Main, die einen Einstieg in das Schreiben von Lebenserinnerungen oder Familiengeschichten vermitteln. Nicht selten sehe diese Teilnehmenden in einem Folgekurs wieder.

Für alle, die ihre Geschichte selbst aufschreiben möchten, ist  die Intensiv-Seminarreihe „Autobiografisches Schreiben“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Bereich Studieren 50 Plus (Kunst- und Literaturwissenschaft – Philosophie – Musik) ein geeignetes Mittel. 2022 ging der fünfte Durchlauf zu Ende, der wieder vier Semester beinhaltete. Von der Kindheit bis zu den späten Jahren helfen zahlreiche Erinnerungsimpulse auf das Leben zurückzublicken und über  die wichtigsten Menschen, Ereignisse, Orte und Berufstätigkeiten zu schreiben.

In den zwei Jahren besteht viel Raum, Lebensentscheidungen, und -entwicklungen noch einmal zu reflektieren. Denn auch das ist häufig ein Motiv für Menschen, die ihre Lebensgeschichte schreiben: noch einmal nachzuspüren, wie sie zudem wurden, der sie heute sind, Bilanz zu ziehen, was gut lief und was vielleicht auch nicht. Im letzten Semester können die Teilnehmenden sich noch das Knowhow aneignen, wie sie ihr Manuskript im Buchsatz mit Abbildung gestalten können, bevor sie ihre Autobiografie als E-Book veröffentlichen oder als Buch für drucken lassen.

Die begrenzte Teilnehmerzahl von 15 ermöglicht ein intensives Arbeiten. Jeder Durchgang ist ein wenig anders. Allen gemeinsam ist, dass sich die Teilnehmenden am Ende näher gekommen sind und viel voneinander gelernt haben. Nach zwei Jahren der kontinuierlichen Zusammenarbeit, ist es für mich stets sehr beeindruckend, wie sich der Schreibstil verfeinert, die Farbe der eigenen Geschichte zu erkennen ist und auch etwas zur Ruhe kommt, weil die passende Form gefunden und die wichtigsten Erlebnisse festgehalten worden sind. 

 

Neustart für die Atelier-Seminare

„Tolles learning by doing – spielerisch im Schreiben die Handwerktricks gelernt. Es war wirklich intensiv & hat Spaß gemacht“, schreibt Alexandra am Ende des Seminars in den Chat des ersten online Atelier-Seminar „Autobiografische Kurzgeschichten“. Vor vielen Jahren hatte ich bereits bei der VHS mehrere Kurzseminare zu diesem Thema. Nun biete ich es exklusiv mehrmals im Jahr via Zoom in Eigenregie an. Freitagabends wird das Thema gefunden, samstags wird mit Struktur die  Geschichte aufgeschrieben. Textbesprechungen im kleinen Rahmen holen das Beste aus dem Text heraus. Der Mix aus autobiografischen, kreativen Schreiben mit meditativen Inhalten macht nicht nur viel Spaß und tut abseits vom Alltag gut, sondern hilft auch Lebenserfahrungen zu reflektieren und anschließend in einer Kurzgeschichte spannend zu lesen festgehalten zu haben. Eines meiner Lieblingsseminare.

Atelier-Seminar: Autobiografische Kurzgeschichten

Biografiearbeit light

Um das Thema „Selbstfürsorge – was brauche ich, um mich gut zu fühlen?“ ging es beim biografischen Arbeiten für Ehrenamtliche in der Evangelischen Mirjamgemeinde in Offenbach, veranstaltet von Christel Roßbach, der neuen Leiterin der Koordinationsstelle Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit beim Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach. Wer seine eigenen Ansprüche kennt und respektiert, kann auch gelassen mit den Anliegen anderer Menschen um sich herum umgehen. Bei einem gemeinsamen Frühstück widmeten wir uns den Fragen, wie wir uns freudvoll auf eigenen Bedürfnisse besinnen können. Mit kreativen Impulsen spürten die Teilnehmende nach und sammelten Ideen, die sich leicht im Alltag umsetzen lassen, auch wenn es privat und beruflich mal hoch hergeht. 

Ehrenamtsfrühstück gestaltet mit dem Thema "Selbstfürsorge"

 

Netz-Werken und Mit-Wirken

Nach zwei Jahren Pause konnten wir 2022 wieder ein Mitgliedertreffen in Präsenz veranstalten. Organisiert von meiner Kollegin Adele von Bünau trafen wir uns am letzten April-Wochenende uns in Siegen. Die Mitglieder des Biographiezentrums, der Vereinigung deutschsprachiger Biografinnen und Biografen, leben und arbeiten verteilt von Nord nach Süd, von West bis Ost auch über die Grenzen von Deutschland hinaus. So treffen wir uns immer an einem anderen Ort, dieses Jahr in der Mitte von Deutschland.

Mitgliedertreffen des Biographiezentrums, Siegen, 2022

Die Stimmung ist gut, wenn wir von unseren aktuellen Projekten erzählen, in den Werken, die gerade gedruckt wurden, können wir blättern. Es entsteht ein inspirierender Raum für Fragen und Anregungen. Wir alle sind uns einig, das jede Lebensgeschichte einzigartig ist, und es immer wieder faszinierend ist, wie aus den ersten Erzählungen eine Geschichte entsteht. Vorträge und Kurzseminare vertiefen den Einblick in verschiedene Arbeitsweisen. Eva von Sahr berichtete über ihre „Drehporträts“, sie ist eine der Biografinnen, die Lebensgeschichten im Film festhält. Die Unternehmensberaterin Rose-Marie Hoffmann-Riem lässt uns teilhaben an der Arbeit der Biografie eines Flüchtlings. Nach ihrer Lesung herrscht Stille im Raum. Wir sind berührt. Es gibt weitere Lesungen, die uns die Vielseitigkeit unseres Berufs veranschaulichen, und und Schulungen, mit Anregungen und Anleitungen, die uns zukünftig in unserer Arbeit behilflich sein werden. Ich freute mich, dass ich über das Projekt „Glücksgeschichten“ referieren und die Teilnehmende mitnehmen konnte, eigene Glücksmomenten im Leben zu erinnern und aufzuschreiben. Nach drei Tagen fuhren wir inspiriert in alle Richtungen zurück zu unserem jeweiligen Lebens- und Schaffensort. Der Termin für ein nächstes Treffen in 2023 ist bereits fixiert.

Wie gut, dass wir nicht ein ganzes Jahr warten müssen, um uns austauschen zu können. In der Corona-Zeit entstanden sind die Online-Treffen, die ich einmal im Monat gerne moderiere. Jedes Mal schauen wir auf ein Thema, dass ich inhaltlich vorbereite. Vom Workflow bis hin zu verschiedenen Aspekten der Arbeit mit Biografien erörtern wir in kollegialer Runde, was Standard ist, was es Neues gibt und welche Fragen wir in der nächsten Zeit nachgehen wollen. 

Ein weiteres Netzwerken findet bei LebensMutig, Gesellschaft für Biografiearbeit e.V., statt. Seit diesem Jahr unterstütze ich im erweiterten, neu gewählten Vorstand, die Social Media Marketing Planung. An einer neuen Website wird gearbeitet und das Profil mit vielfältigem Input der Mitglieder geschärft.  


 

So viele Glücksgeschichten …

Im Sommer bei mehr als 30 Grad war es soweit. Die fertigen Bücher konnten in einem feierlichem Rahmen überreicht werden. Sowohl die Glückserzählerinnen und Glückserzähler freuten sich sehr, als sie ihr Buch mit ihren Lebensgeschichten in den Händen hielten, als auch die ehrenamtlich Schreibenden. Ihr erstes Buch, entstanden in vielen persönlichen Gesprächen, geschrieben an Wochenenden und Abenden, denn nicht alle der Glücksschreibenden waren bereits in ihrer nachberuflichen Phase. Damit die Glücksschreiberinnen und Glücksschreiber gut vorbereitet waren, schulte ich sie im autobiografischen Schreiben und darin, Erinnerungen an Glück bei den Erzählerinnen und Erzählern anzuregen, das Glück im Rückblick wahrzunehmen, auch in manch einer schwierigen Lebensphase. Der große Erfolg des Projekts veranlasste die Verantwortlichen vom Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Hessen e.V., Regionalverband Hessen, eine zweite Runde zu planen. Wer Interesse hat, sich als Glückschreibender ausbilden zu lassen und ehrenamtlich Glücksgeschichten aufzuschreiben, kann sich beim ASB Wiesbaden, Stefanie Belz, informieren: Tel. 0611-1818-199


 

Erinnerungen bauen Brücken

Nahezu zehn Jahre leite ich monatlich eine Schreibwerkstatt in der Henry und Emma Budge-Stiftung, ein Senioren- und Pflegeheim in Frankfurt-Seckbach. Angeregt durch kreative Impulse erinnern sich die Teilnehmenden an ihre Leben, schreiben Gedanken, Erlebtes auf, versuchen sich an Gedichten oder fiktiven Geschichten. 

Schreibwerkstatt in der Henry und Emma Budge-Stiftung
Kreative Impulse helfen sich zu erinnern und Erinnerungen aufzuschreiben

2020 feierte die Budge-Stiftung ihr 100-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass bereiteten wir seit 2019 Texte vor, die das Leben im Haus der Stiftung spiegeln. Eine Textsammlung erschien und endlich konnten wir nach zwei Jahren Corona diese Texte in einer Lesung am 18. Juli 2022 veröffentlichten. Der Saal war gut gefüllt, die Vorlesenden aufgeregt, was sich jedoch schnell legte, als wir wahrnahmen, dass das Publikum aufmerksam zuhörte, der eine oder die andere nickte, lächelte oder neigte den Kopf zur Seite, weil er sich in dem Vorgetragen widerfand. Die Gespräche nach der Lesung zeigten, wie berührt die Menschen waren. Eingerahmt war die Lesung, die im Rosl- und-Paul-Arnsberg-Saal in der Budge-Stiftung stattfand, von besinnlichen Klängen, gespielt vom Duo der Band „Evas Apfel“

Lesung zum 100-jährigen Jubiläum der Budge-Stiftung 2022

 

Eine besondere Freude – das Tanzen 

Seit Kindertagen tanze ich. Vom Ballettunterricht über Volkstanz kam ich zum Standardtanz, Fox Trott, Walzer und vieles mehr, Jazz-Dance begeisterte mich, afrikanischer Tanz brachte mir viel Power, kreativer Tanz neue Ausdrucksmöglichkeiten und beim meditativem Tanz und auch im Kreistanz konnte ich mir oft neu begegnen. Manche Tanzdisziplinen übte ich viele Jahre aus, in andere schnupperte ich hinein. Seit mehr als vier Jahren lerne ich orientalischen Tanz in der Tanzschule OT Pur und in diesem Jahr hatte ich meinen ersten Auftritt mit der Tribal Fusion Bellydance-Gruppe. Choreographiert von Lea führten wir in der Brotfabrik in Frankfurt im Oktober zur wunderschön Musik „The Mystic’s Dream“ von Loreena McKennitt „Dance of the Druids“ auf. Ein Erlebnis, an das ich sehr gerne zurückdenke.


 

Was brachte mich noch weiter?

Lesen, lesen, lesen

Nun bin ich täglich mit Texten beschäftigt, ich schreibe, lese, bearbeite Manuskripte, setze Texte in Buchseiten und immer wenn ich ein paar Tage frei habe, dann ist Lesezeit für mich: Ich genieße es, ein Buch innerhalb kurzer Zeit zu lesen, mich ganz in eine Geschichte oder ein neues Thema hineinsinken zu lassen.

In diesem Jahr haben mich besonders beeindruckt: „Der Morgenstern“ von Karl Ove Knausgard, ein Schriftsteller, dessen Werke mich nicht erst seit seinem sechsbändigen autobiografischen Romanprojekt von „Sterben“, „Lieben“, Spielen“; Leben“, „Träumen“ und „Kämpfen“ fasziniert. Da ich ein Fan des charismatischen Stargeigers David Garrett bin, gehörte auch seine Autobiografie „Wenn ihr wüsstet“ zu meinem Lesestoff. Auch der Titel „Hinter dem Lächeln“, die Autobiografie der Schauspielerin Michaela May, versprach nicht zu viel. Ich schätze es, wenn Menschen  über ihr Leben erzählen, und dabei nicht nur die Sonnenseiten beschreiben. 

"Der Morgenstern" von Karl Ove Knausgard

Ein Mentoring

Bei einer Journalisten-Kollegin, Cordula Schneider, Freischreiberei. Ich nahm mir den Raum, ein wahrer Luxus, noch einmal neu auf mein Business zu schauen, geführt mit dem Blick einer langjährig erfahrenen freiberuflich tätigen Texterin in unterschiedlichen Medien. Ihre Fokussierungen, ihre Herangehensweise an neue Projekte, und die Zeit, die ich mir zusammen mit ihr nahm, haben mich nochmal fester wurzeln lassen. Manches Saat keimt noch. Danke hierfür liebe Cordula. Wir werden sehen, was sich noch daraus entwickeln wird. 

Fantasy schreiben – ein Ausflug

Dieses Jahr war ein Jahr, in dem ich immer mal nach rechts und links schauen konnte, was gibt es sonst noch so, was mich schreibend interessiert. Im Sommer schnupperte ich als Ghostwriterin für ein paar Wochen in das Schreiben von Fantasy Romanen  hinein. Dabei entwarf ich eine komplette Figuren- und Ortsskizze, an dem die Handlung spielen könnte. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich fühlte mich sehr lebendig dabei und konnte sehen, wie die Figuren anfingen, sich in der Szenerie einzurichten. Spannend! Für dieses Jahr blieb es zunächst nur bei einem Ausflug, weil ich mich auf meine Hauptberufung, das Schreiben von Biografien, konzentrierte. Aber mal sehen, was das nächste Jahr bringt. 

Ayurveda

Über mehrere Wochen widmete ich dem Selbstlernstudium über die „Caraka Samhita“, einer der ältesten Schriften des Ayurveda. Ayurveda ist das Wissen vom Leben. Es beeindruckte mich sehr, hineinzuhören, wie alles zusammenhängt, die Beziehung des Menschen zum Kosmos und zu sich selbst,  welche Grundprinzipien für ein langes Leben darin behandelt werden. Das ist ein so umfassendes System, dass ich in diesen Wochen nur einen Hauch mitnehmen konnte. Eine Wissenschaft, die ich sicher in den nächsten Jahren weiter studieren möchte. 

Naturerlebnisse 

Sehnsuchtsort Meer. Kilometerweit am Ufer im Sand laufen, in die Ferne schauen, die Wellen rauschen, die Möwen ziehen gen Himmel und Richtung Meer. „Vitamin Sea“ schrieb eine liebe Freundin,  als sie mein Strandfoto auf Facebook sah. Auch „Vitamin Forest“ nährte mich: das Grün, die würzige Luft, die Stille beim Wandern im Wald und so viel Leben inmitten all der Laub- und Nadelbäume. Herrlich. 

Wenn ich nicht schreiben könnte, würde ich zeichnen oder malen

Eine große Freude war es mir, drei wunderbare Ausstellungen zu besuchen. 

„Salvador Dali“ in Brügge

An einem verregneten und recht kühlen Juni-Tag besuchte ich Brüssel. Schon im Vorfeld hatte ich gesehen, dass gerade eine Ausstellung von Salvador Dali (1904-1989) zu sehen war. Wunderbar. Diese Chance nutzte ich, um Werke des exzentrischen, spanischen Malers aus der Nähe zu betrachten. Bereits in meinen frühen Erwachsenenjahren war ich fasziniert von den surrealistischen Bilder, den Traumwelten in seinen Werken, den Allegorien als bestimmende Bildelemente. Obwohl ich damals wie heute nicht alle Darstellungen gleich verstehen kann, betrachte ich sie gerne, lasse mich von ihnen  sozusagen entführen in andere Welten. „The fact that I myself do not understand the meaning of my paintings at the time that I am painting them does not mean that they have no meaning.“ Das Zitat von Dali, das wie andere Aussagen von ihm in Gold eingerahmt in der Ausstellung zu sehen war, fütterten den Verstand, um die Bedeutungswelten der surrealen Bilder aufnehmen zu können, ohne eben alles verstehen zu müssen. 

Zitat von Salvador Dali in der Ausstellung, Brügge

„Ottilie von Roederstein“ im Städel Museum, Frankfurt

Besondere Aufmerksamkeit widmete ich den Selbstporträts, die Ottilie von Roederstein in einer Vielzahl vorgelegt hat. Dabei versuchte ich mir vorzustellen, wie andersartig diese Art der „autobiografischen Arbeit“ sich gestaltet. Mir fiel auf, dass die Porträts umso akzentuierter wirkten, je älter sie wurde. Ein Effekt der Erfahrung, der Erkenntnis, der Ergebenheit an das, was einen ausmacht?

"FREI.SCHAFFEND", Retrospektive der Malerin Ottilie W. Roederstein (1859-1937)

„Songlines“ im Humboldt Forum, Berlin

Wow. Das hat mich beeindruckt. Eine Schöpfungserzählung indigener Australier, erzählt von sieben Schwestern. Als Songlines bezeichnet man in Australien kulturelle Routen, die beseelt sind von archetypischen Geschichten, weitergegeben von einer Generation zur nächsten. Songlines zeichnen den Weg nach, den die Ahnen genommen haben, als sie das Land erschufen. Die Schöpfungsgeschichten, es gibt verschiedene, werden von Generation zu Generation weitergetragen. In der Ausstellung zu sehen, waren die sogenannten Portale zu den Orten der Geschichte. In einem Kuppelraum veranschaulichte ein Film zudem die Weg der Schwestern. Auf Kissen sitzend oder liegend schauten wir in den Filmhimmel und ließen uns davontragen in die Erzählung, begegneten Wati Nyiru, dem Verfolger der Schwestern, und der Schlange, flogen mit ihnen weiter zu einem Wasserloch, lauschten dem Gesang und schauten dem Tanz der Schwestern zu. Als wir am Ende der Vorführung sie in den funkelnden Sternbildern des Orion und der Plejaden wiederfanden, brauchten wir einen Moment, um wieder in unsere Gegenwart zu gelangen. Beeindruckend.

Eine der wunderschönen, farbenprächtigen Darstellungen in der Ausstellung "Songlines" im Humboldt Forum, Berlin, Sommer 2022

Und ich habe mir dieses Jahr die Zeit genommen, mein Zeichnen wiederaufzunehmen. Thema eines Wochenendseminars: „Gesichter zeichnen“ bei Cläre Kunze. Aufgabe war es unter anderem „Die Delphische Sibylle“ umzusetzen. Der melancholische Ausdruck, in die Weite oder auch ins Innere blickend, passte so sehr zu meinem Jahresthema …


 

Auf der Dachterasse Humboldt Forum, Berlin 2022

 

Was wartet 2023 auf mich?

  • Drei spannende Biografien: Eine wird Anfang des Jahres als Buch gesetzt, bei einer zweiten starten wir in die zweite Interview-Runde und ich werde schreiben, schreiben, schreiben. Und mit der dritten wird es Ende 2023 eine Überraschung geben.
  • Das Glücksschreiber-Projekt startet in die zweite Runde. Ende Januar beginnt die Fortbildung für die ehrenamtlich Schreibenden. Ich freue mich darauf.
  • Seminare und Kurse zu autobiografischen Schreiben und Biografiearbeit in unterschiedlichen Settings.
  • Im März startet die Online-Ausbildung zur Biografin / zum Biografen für Auftragsbiografien, die ich zusammen mit Dr. Andreas Mäckler, Leiter des Biographiezentrums, an der Akademie des Biographiezentrums leiten werden. Die Präsenz-Variante findet im Mai statt. Im Anschluss wird die rund einjährige Ausbildung von einem Online-Coaching begleitet. Ich freue mich, mein Wissen und meine Erfahrungen weitergeben zu können.

 

Der Jahressrückblick wurde impulsiert von Judith Peters, Sympatexter. Vielen Dank dafür!